Hütte 9: Jakob Lewis

Mit großen Augen sah ich auf.
Wollte er etwa hier im Camp bleiben?
Oh man, das könnte was werden...
Er hatte es schon innerhalb einer Stunde geschafft mich aus dem Konzept, genannt mein Leben, zu werfen, was würde dann erst in mehreren Tagen passieren?
Meine Gedanken kehrten zu den Küssen am See zurück und ungewollt errötete ich wieder.
Ich räusperte mich.
Ja hier kann mans aushalten, sagte ich mit einem seltsamen Unterton, stand hastig auf und ging zum Kühlschrank, nur damit er meine roten Wangen nicht bemerkte.
Was zur Hexenhölle sollte das nur?
Auch wenn ich noch nicht weiß, ob ich es gut finde hier allein zu wohnen, fügte ich hinzu und spähte in den Schrank, ohne etwas bestimmtes zu suchen.

Noah legte sich auf die Couch und sah unschuldig zur Decke.
Klar war ihm aufgefallen dass Jakob rot geworden war, nur wusste er nicht wieso.
Einfach um ihn zu ärgern, lächelte er zuerst und sah dann weiter zur Decke.
Ich könnte mich ja bei dir einquartieren.
Wär sicher lustig oder?
So mit heimlichen Pyjamapartys und langen Rede-nächten., meinte er nebenbei.
Klar meinte Noah das nicht ernst.
Allerdings klang es so als würde er es todernst meinen und sah auch so aus.

Ich hatte meinen Kopf tief in den Kühlschrank gesteckt um ihn ein wenig abzukühlen, doch dann schreckte ich hoch und knallte mit dem Hinterkopf gegen die Decke des Behältnisses.
War das jetzt ein Witz gewesen oder wollte Noah ihn einfach nur ärgern?
Was auch immer der Fall war, ich würde ihm jetzt sicher nicht das geben was er wollte: ein Ausrede.
Das war totsicher was er wollte, dass ich mich um Kopf und Kragen redete um das zu verhindern.
Wenn du das willst, antwortete ich schließlich und presste meine Hand auf meinen Pochenden Hinterkopf, die Augen wegen den Schmerzen und der Peinlichkeit zusammengekniffen.
Dieser Tag wollte und wollte einfach nicht enden oder?
Aber ich muss dich warnen, ich hab keinen Pyjama, sagte ich witzelnd, auch wenn mir nach Scherzen gerade nicht der Sinn stand

Noah lachte kurz auf.
Och das is egal.
Aber wär doch cool oder?
Jeden Tag ein Gute-Nacht-Kuss.
Wenn ich Angst hab komm ich zu dir.
Gemeinsames Schießtraining.
Wie eine kleine Familie.
Gespielt zufrieden seufzte Noah auf.

Ich biss mir auf die Unterlippe um nichts darauf zu erwidern.
Obwohl es da nur zu viel gegeben hätte zum Beispiel zu der Sache mit dem "Gute-Nacht-Kuss".
Ich setzte mich wieder an den Tisch und stütze mein Kinn auf die Hand.
Das Schlimme war ja, dass ein ganz, ganz, ganz kleiner Teil von mir gar nichts dagegen hatte Noah hier einziehen zu lassen.
Und diesem Teil von mir hätte ich nur zu gern eine gescheuert.
Alles was ich nun hoffte, war dass der Vampir nicht auf meinen nun schnelleren Herzschlag achtete.
Die Schießübungen mit Handfeuerwaffen oder mit Pfeil und Bogen? fragte ich deshalb um es möglicher Weise zu übertönen und einfach nur um abzulenken.

Noah setzte sich auf und grinste Jakob an.
Beides.
Und Granaten etc natürlich auch.
Allerdings werden wir dann wohl ein kleines Problem hier bekommen.
Aber egal dafür könnten wir ja auch zu den Blutsbrüdern fahren., sagte er.
Apropos Blutsbrüder.
In dem Moment bekam Noah eine SMS dass er bald wieder auf einen Auftrag sollte.
Seufzend steckte er sein Handy wieder weg.

Ich nickte, sah ihn aber immer noch nicht an.
Mit Pfeil und Bogen kann ich schon mal umgehen, sagte ich dann.
Das hatte ich eine Zeit lang in einem Verein gemacht, war aber ausgestiegen als es mir zu langweilig geworden war.
Allerdings konnte ich mit Fug und Recht behaupten recht gut gewesen zu sein.
Immerhin hatte ich mehrer Medaillen und zwei Pokale.
Nicht alle erster Platz aber weit oben.
Noah sah auf sein Handy und seufzte dann, worauf hin ich aufblickte.
Würde er jetzt gehen?
Über die zwiegespaltenen Gefühle, die diese Vorstellung hervorbrachte dachte ich gar nicht erst nach.

Noah nickte und stütze den Kopf auf.
Irgendwie wollte er nicht auf diesen Auftrag.
Immerhin würde er wieder jemanden umbringen müssen.
Trotzdem konnte er nicht einfach aussteigen, die Blutsbrüder würden ihn suchen.
Langsam sah er auf und blickte Jakob an.
Ich muss bald wieder auf einen Auftrag.
Scheinbar müssen wir das ganze verschieben., flüsterte er.
Seine Stimme klang angeschlagen, fast schon bedauernd.

Alles klar, sagte ich langsam und lächelte.
Doch leider konnte ich einen unsicheren, traurigen Unterton nicht unterdrücken und das Lächeln war brüchig.
Sofort biss ich mir heftig auf die Lippe.
Zu doll, wie ich fest stellte, da ich gleich darauf den metallischen Geschmack von Blut schmeckte.
Ich schätz mal dass das so eine top-secret-Blutsbrüderangelegenheit ist? fragte ich und stand auf.
Wieso ich aufgestanden war wusste ich nicht, nur um mich zu bewegen wahrscheinlich, doch nun wusste ich nicht so recht was ich machen sollte und stand deshalb weiter doof in der Gegens rum.

Noah lächelte traurig und seufzte leise.
Ich kann dir so viel sagen:
Einer wird sterben und wenn ich das bin bekommst du meine Wohnung.
Der Vampir stand auf, ging zum Fenster und blieb da stehen.
Deswegen schloss er nicht gerne Freundschaften.
Man wusste nie wie lange sie halten würden.

Mein erster Reflex war es zu lachen, doch das erstarb rasch.
Meinte er das etwa ernst?
Ich runzelte die Stirn.
Ein Vampir zog es wirklich in Betracht dass er bei einem Auftrag sterben könnte?
Was hatten die Blutsbrüder nur für gefährliche Missionen?
Zugegeben, ganz ungefährlich konnten sie gar nicht sein, sonst wären die Blutsbrüder nicht so gefürchtet...
Ich sah mich kurz in dem kleinen Raum um, fand aber nichts was meinem Vorhaben irgendwie helfen könnte.
Deshalb ging ich zu Noah und stellte mich neben ihn.
Hast du ein Messer oder so? fragte ich ihn und versuchte ihn dabei nicht direkt an zu sehen.
Zum einen Teil weil ich befürchtete wieder zu der Familie der Tomaten zu gehören und zum anderen weil es moralisch äußerst fragwürdig war, was ich vor hatte.

Noah hielt Jakob ohne zu fragen drei Messer hin.
Ein kleines, einen Dolch und ein normales Messer eben.
Er war noch immer in Gedanken vertieft.
Unbewusst hatte er angefangen zu planen was er mitnehmen musste.
Ein paar Waffen, das war klar, aber brauchte er einen Partner?
Oder hatten sie ihm schon einen zugeteilt?
Vielleicht war es ja auch eine Einzelmission.
Leider erfuhr er sowas immer erst wenn es schon zu spät war um was zu ändern.

Ohne lange nach zu denken nahm ich von Noah den Dolch entgegen.
Hexen und Magier nutzten seit jeher Dolche oder so genannte Atame für Zauber und Beschwörungen.
Allerdings lag das nicht daran, dass sie besondere Kräfte hatten wie viele glaubten, sie standen symbolisch schlicht und einfach für Macht und sahen in den meisten Fällen einfach schön aus.
Gut, jetzt konzentriere dich, sagte ich mir selbst und suchte nach etwas, das mich wütend machen würde.
Mein Blick blitzte kurz zu dem Vampir hinüber und die vorher gegangene Frustration stieg in mir wieder hoch.
Gemischt mit der Verwirrung, die nun in meinem Kopf tobte und der Wut auf mich selbst, dass ich überhaupt diese Gefühle hatte, sorgte diese für das gewünschte Ergebnis.
Sacht strich ich mit meinen Fingern über die feine Klinge der Waffe und hielt sie dann wieder dem Blutsbruder hin.
Das ist ein starkes Kontaktgift.
Ritz damit jemandem nur ganz leicht die Haut an und es verteilt sich innerhalb von Sekunden im gesamten Körper.
Erst wird der betroffene gelähmt und nach etwa zwei Minuten bleibt dann auch das Herz stehen, erklärte ich schnell und sachlich.
Es missfiel mir darüber zu reden, was diese Waffe nun einem Menschen oder Wesen antun konnte, doch dies war nun einmal meine Gabe.
Und wie sagte meine Mutter immer: Je schneller du dich mit deiner Gabe anfreundest, desto schneller kannst du sie lieben lernen.
Ich bezweifelte allerdings, dass ich irgendetwas davon konnte oder wollte.
Ach ja und der Effekt bleibt so lange auf der Klinge, bis ich das Gift neutralisiere, fügte ich noch hinzu und sah Noah an.

Noah steckte den Dolch lächelnd wieder weg.
Danke Jakob.
Wird mir wahrscheinlich hilfreich sein, sofern der Typ keine Schusswaffen hat, oder ich zumindest schneller bin., gab Noah kleinlaut zu.
Selbst er, und er galt unter den Blutsbrüdern als einer der Besten, hatte schon oft eine Nahtoderfahrung gehabt.
Nicht erst einmal hat er nen Streifschuss gehabt.
Einmal wurde er sogar getroffen.
Wenn er sich recht erinnerte war er sogar mal wiederbelebt worden.
Seufzend lehnte er sich gegen die Wand.
Wenn ich könnte würde ich manchmal wirklich gerne wieder aussteigen.
Aber das geht nicht., murmelte Noah.
In seiner Stimme konnte man sogar Traurigkeit ausmachen.

Ich atmete ein wenig durch und versuchte mich zu beruhigen, was bei dem traurigen Unterton des Vampirs auch gar nicht so schwer war.
Wieso geht das nicht? fragte ich, egal wie dumm diese Frage erscheinen mochte.
Ich meine, du könntest abhauen, dich verstecken oder so.
Ok diese Aussage war sogar noch dümmer als die Frage davor.
So naiv war ich doch eigentlich gar nicht.
Und wenn alles nichts hilft komm zu mir und mach mich wütend, den Rest kannst du dann mir überlassen, sagte ich mit einem schiefen lächeln und zuckte mit den Schultern.
Warum konnte mein Mund nicht ein mal auf mein Gehirn hören?

Noah drehte sich zu Jakob.
Du verstehst das nicht.
Das sind tausende, wenn nicht mehr.
Vielleicht bist du stark aber so viele kannst du nicht auslöschen glaub mir.
Und wenn ich abhauen würde, würden sie mich finden.
Im Schlimmsten Fall würden sie mich dann umbringen.
Also kann ich auch gleich einfach dabei bleiben.

Ich öffnete kurz den Mund, schloss ihn dann aber wieder.
Meine Gifte waren tödlich, besonders wenn ich sie über die Luft übertragen ließ, aber Vampire waren keine dummen Tiere.
Und mit dem Weglaufen und Verstecken hatte Noah auch recht.
Aber es muss irgend einen Weg geben, beharrte ich.
Es muss einen Weg geben da raus zu kommen, ohne zu töten oder getötet zu werden.
Ich sah aus dem Fenster und rückte damit unbewusst etwas näher an Noah ran.
Und den finden wir sicher, sagte ich mit bestimmendem Ton und lächelte.

Lächelnd schüttelte Noah den Kopf.
Ich hab mittlerweile gut 25 Leute auf dem Gewissen.
Und mindestens Fünf davon sind welche die aussteigen wollten.
Wenn ich wirklich aussteige sucht mich die FRU auch.
Unbewusst strich er Jakob über die Wange.
Das ist alles echt lieb und so.
Aber seinem Schicksal kann man nicht entrinnen.
Das ist einfach so.
Traurig ließ Noah die Hand fallen und ging zurück zum Sofa wo er sich hinsetzte.

Ich legte meine Hand kurz auf die Stelle, wo Noah mich berührt hatte.
Konzentration Jake!
Ich ließ die Hand wieder sinken und drehte mich zu dem Vampir um, blieb aber am Fenster stehen.
Gut dann...werd ich eben auch Mitglied.
Mein Mund formte diese Worte schneller, als mein Gehirn denken konnte und ich schluckte.
Warum hatte ich das gerade gesagt?
Ich spannte den Unterkiefer an.
Ich runzelte leicht die Stirn, bewegte mich aber sonst nicht und veränderte auch meine Miene nicht.
Das war gerade das unüberlegteste was ich je gesagt hatte, aber warum?
Naja du weißt doch sicher was Leute dazu bringt unüberlegte Dinge zu tun: Li-
Ich brach den Gedanken ab und konzentrierte mich stattdessen auf den Text eines Liedes das ich vor kurzem gehört hatte.

Erschrocken sah Noah zu Jakob.
Er wollte Mitglied werden nur wegen sowas?
Kopfschüttelnd sah der Vampir den Hexer an.
Nein.
Ich lasse definitiv nicht zu dass du dein Leben wegwirfst.
Von mir aus kannst du auf diesen einen Auftrag mitkommen, dann kannst du sehen was es heißt Mitglied zu werden.
Ich könnte denen erzählen, dass du ein Schüler wärst, aber du tritts definitiv nicht ein.
Das lass ich nicht zu., meinte er bestimmt.
Er hätte Cora auch von der Idee abbringen müssen.
Stattdessen hatte er sie selbst in ihr Verderben gestoßen.

Geschockt und mit großen Augen sah ich Noah an.
So eine Reaktion hatte ich definitiv nicht erwartet.
Vielleicht mit dem selben Inhalt aber niemals so heftig, als wäre es ihm tatsächlich wichtig, mich dort raus zu halten.
Die Frage war nur wieso.
Öhm...warum? fragte ich deshalb einfach drauf los.
Sicher hätte die analytische Stimme in meinem Kopf auf dies eine plausible Antwort gefunden, aber der hielt ich immer noch mit einem Maulkorb den Mund zu, damit sie nichts sagen konnte was ich nicht hören wollte.
Selbst wenn es offensichtlich war...

Noah sah Jakob verständnislos an.
Weil ich sicher nicht zulassen werde dass du dein Leben wegwirfst!
Du bist noch viel zu Jung um einfach mal zu sagen "oh ja ich trete jetzt einer Gruppe Abtrünniger bei."
Ich war jünger als du und ich bereue das manchmal wirklich seehr.
Also wirf es nicht weg sondern mach was draus., erklärte Noah.
Den wahren Grund sagte er nicht.
Wieso sollte er Jakob auch sagen dass er ihn mochte?
War ja eh nur Nebeninfo.

Ich hob langsam eine Augenbraue, dann noch die andere.
Da ich gerade nicht scharf darauf war zu denken beließ ich es dabei und glaubte es ihm einfach mal so.
Es war ja auch eine plausible und logische Erklärung.
Vielleicht nur nicht ganz vollständig, aber das störte mich nur ein wenig.
Und was soll ich aus meinem Leben machen?
Meine Eltern treffen ja alle Entscheidungen für mich.
'Oh Jakob, hör auf Spaß zu haben und lerne, damit du einmal ein Mitglied des Hexenrates wirst und wir gegenüber den Woodbanes damit angeben können.'
Mich fragt niemand was ich machen will... erklärte ich bitter und warf die Hände in die Luft-
..und ehrlich gesagt weiß ich es auch gar nicht, fügte ich in Gedanken hinzu.
Und ganz ehrlich, eine Hexenfamilie ist schlimmer als jede Strafanstalt.
Da können die Blutsbrüder auch nicht schrecklicher sein.
Dass die Blutsbrüder auf jeden Fall schlimmer waren stand außer Frage, schließlich hatten sie auch für eine bestimmte Zeit diesen Cody Johnsen bei sich, aber ich hatte nicht vor einfach aufzugeben.
Jetzt hatte ich schon schneller geredet als ich denken konnte und jetzt musste ich dazu stehen.

Das Gleiche was ich getan hätte, wenn ich es mir nicht verdorben hätte. Wär ich nicht so blöd gewesen, hätte Cora mich nie verlassen und irgendwann hätte ich wahrscheinlich nen coolen Job gehabt und eine kleine Familie die ich auf Händen tragen könnte. Du hast das alles noch vor dir und glaub mir, die Blutsbrüder sind schlimm. Sie haben zwar auch positive Seiten was die Partys angeht aber die Dinge die sie tun sind meistens einfach schlimm. Und das sag ich als jemand de schon seit etlichen Jahren nach ihrer Pfeife tanzt und Leute für sie aus dem Weg räumt., meinte ich und drehte mich während ich redete zu Jakob um.