Das Ufer

Als die Splitter auf Jayden zuflogen erstarrte ich weil ich nicht darauf gefasst war.
Ich musterte den Wolf nachdenklich als er mit den Schultern zuckte.
Innerlich schüttelte ich den Kopf.
Dann sah ich zu Cody, welcher ein paar Meter weiter weg saß.
Mit schief gelegtem Kopf fragte ich mich ob er alleine bleiben wollte oder ob ich zu ihm sollte.
Unbewusst entschied ich mich.
Langsam, immer noch als Tiger, setzte ich mich zu ihm und stupste ihn fragend an.
Es sollte so viel heißen wie "willst du allein sein?"

Ich bemerkte, dass ich die Gedanken von Cora nicht mehr abblockte, aber ich konnte mich momentan auch nicht genug konzentrieren um das zu tun.
Statt dessen versuchte ich es wieder mit der Thelepatie.
Ich glaube Jayden hat Recht, ich bin zu gefährlich. sagte ich gedanklich zu Cora ohne sie anzusehen.
Auch wenn es hammer mäßig cool war so zu kommunizieren konnte ich mich in diesem Augenblick nicht drüber freuen.
Ich hätte glatt Jemanden umgebracht und das obwohl ich mein Ziel schon erreicht hatte.
Erneut schossen mir Fragen durch den Kopf, die Niemand vermochte mir zu beantworten, wie zum Beispiel:
Wie gefährlich werde ich, wenn meine Kräfte noch deabie sind sich zu entwickeln?
War ich das oder waren das wirklich meine Kräfte, die die Kontrolle übernommen hatten?
Wie oft würde das passieren?
Ich senkte den Blick und starrte aufs Wasser.
Vielleicht sollte man mich wirkliche einsperren.

Ich stellte mich neben Ava und sah rüber zu Cora und Cody.
Was meinst du dazu? raunte ich zu ihr.
Cora hörte mich wahrscheinlich aber ich war mir sicher, dass Cody gerade mit seinen eigenen Gedanken genug zu tun hatte, als sich um meine zu kümmern.
Ich hatte immer noch die Arme verschrenkt, aber mein Puls hatte sich wieder weit genug gesenkt, dass ich nicht mit einem Kolibri verwechselt werden konnte.
Mein Blick wanderte zu Ava und ich sah sie fragend an.

Ich sah zu Jayden.
Ich glaube, das wollte er nicht. Also dich angreifen.
Mir ist das auch schon passiert, das meine Kräfte mit mir durchgegangen sind.
Ich sah hinüber zu dem Tiger neben Cody und lächelte leicht.
Dann sah ich wieder auf den See hinaus und zog den Stein aus der Tasche.
Ich fing an, ihn in meiner Hand zu drehen.

Ich legte meine Pfoten vor mich hin.
Du bist nicht gefährlich. Lediglich deine Kräfte sind ziemlich stark und gerade eben mit dir durchgegangen. Du wirst lernen sie zu kontrollieren und dann passiert das nicht mehr. Da bin ich mir sicher.
Während ich das dachte sah ich Cody weiter an.
Mir fiel ein dass ich immer noch ein Tiger war.
Allerdings war mir gerade nicht danach wieder ein Mensch zu werden.

Nun sah ich den Cora-Tieger doch an und versuchte gar nicht erst die Verzweiflung zu verbergen.
Aber wenn ich meine Kräfte jetzt schon nicht kontrollieren kann, was wird dann erst passieren, wenn sie voll ausgereift sind?
Was wenn ich mich vollkommen verliere und Menschen verletze oder...
Ich dachte nicht weiter, da es klar war, was als nächstes kommen würde.
Ich wandte den Blick wieder von Cora ab und sah auf das Wasser, das durch leichte Wellen ein verzerrtes Bild des Himmels wiedergaben.
Die Verzweiflung breitete sich wie ein Ölteppig auf Wasser auf und bergrub alles unter sich und eine Frage ging mir immer wieder durch den Kopf:
Warum ich?

Ich sah wieder zu Cody und legte den Kopf ein wenig schief.
Ich glaube, egal ob es Absicht war oder nicht, dieses Jahr wird es eine Menge ärger geben. meinte ich zu Ava, die den Stein in ihrer Hand drehte.
Nicht, dass es hier jemals keinen Ärger gegeben hätte, aber wenn ich so daran dachte was der Junge ausrichten konnte ahnte ich schreckliches.
Ich war mir nicht einmal mehr sicher, ob es genugen würde ihn wegzusperren.
Der Gedanke war radikal, unfair und einfach herzlos, aber es schien mir die einzige Lösung zu sein seinen Kräften keine Chance zu geben auszubrechen.
Könnte ja sein, dass auch wenn hier im Camp nichts passierte, er später einmal Amoklaufend durch die Städte rannte und dabei Auros wie Plastikbälle durch die Luft katapultierte und dann wäre es vorbei mit der Vertuschung von Ubernatürlichen.

Meine Hand schloss sich um den Stein und in einem plötzlichen Wutanfall warf ich den Stein auf den See hinaus.
Wann gibt es keinen Ärger? Noch bevor der Stein auf dem Wasser aufkam drehte ich mich weg.
Mein Blick glitt wieder zu Cora und Cody. Dann seufzte ich tief.
Warum war ich so wütend darüber?

Ich schüttelte den Kopf und legte eine Pfote in Codys Nähe.
Bis deine Kräfte komplett ausgereift sind wirst du schon wesentlich mehr Kontrolle haben, da bin ich mir sicher. Ich denke nicht, dass du Menschen schaden wirst damit. Klar kann ich nichts versichern aber ich denke es nicht.
Mir war klar, dass das nicht gerade aufbauend oder tröstend war.
Allerdings fielen mir keine besseren Worte ein.
Ich hatte meine, inzwischen blauen, Augen weiterhin auf Cody gerichtet.
Ich wollte nicht, dass er sich so viele Sorgen machte und ihm einen Teil davon abnehmen, wusste aber nicht wie.

Ich sah Cora wieder in die Augen und brachte ein schiefes Lächeln zustande.
Meinst du wirklich?
Da ich ihre Gedanken immer noch nicht blockierte hörte ich, dass sie gern ein Teil meiner Sorgen abgenommen hätte, doch ich schüttelte nur den Kopf.
Nein, Jeder hat schon genug Probleme, auch ohne dass man sich noch mit denen Anderer beläd.
Zwar bekam ich wieder Gewissensbisse, da ich ihre Gedanken hörte, aber immerhin nur die starken und bewussten Gedanken und nicht ihre Geheimnisse.

Ich sah ihr mit noch verschränkten Armen zu und grinste leicht.
Diese Art von Wutanfällen kannte ich nur zu gut.
Da hast du Recht. sagte ich und sah wieder zu Cody.
Mir egal, wie mächtig seine Gaben waren, wenn er auch nur einer Person von meinem Bruder erzählte würde ich ihn in Stücke reißen.
Mir war natürlich klar, dass er meine Gedanken gerade hörte, aber das kümmerte mich nicht.
Er sollte ruhig wissen, was ihn erwartete und abgesehen davon wusste er eh schon zu viel...
Ich senkte den Blick für eine Sekunde und drehte mich dann weg.
Wenn mich Jemand sucht, ich bin in der Sporthalle. sagte ich beim Laufen zu Ava und verschwand joggend zwischen den hohen Bäumen des Camps.

---> Sporthalle

Ich seufzte tief und sah Jayden nach. Dann sah ich noch einmal auf den See hinaus, bevor ich beschloss, ebenfalls zu gehen.
Ich beschloss dem Bach, der in der Nähe entlang floss zu folgen, auch wenn wir nicht alleine herum laufen sollen.
Denn ins Camp zurück wollte ich grade nicht. Mein Handy stellte ich vorsichtshalber aus, da ich nicht wollte, das meine Eltern mich nervten.
Langsam setzte ich mich in Bewegung und irgendwann joggte ich.
--->Wasserfall; Die Höhle

Ich verwandelte mich zurück in einen Menschen und setzte mich aufrecht hin.
Trotzdem dachte ich weiter die Dinge die ich eigentlich sagte.
Es war irgendwie cool sich mit jemanden auf diese Weise unterhalten zu können.
Ja ich denke das wirklich.
Ich lächelte nur so halb.
Ich weiß, aber ich mag es nicht sonderlich Leute die mir wichtig sind zu sehen wie sie sich mit Problemen herumschlagen. Das war schon immer so.
Während ich redete, oder eher dachte, spielte ich mit einem meiner drei Armbänder und sah ins Wasser.

Ich sah auf und zog die Augenbrauen zusammen.
Dann bin ich dir also wichtig? fragte ich sowohl laut, als auch in Gedanken.
Jayden und Ava waren ja nicht mehr da und ich bezweifelte, dass der Werwolf so gute Ohren hatte uns jetzt noch hören zu können.
Ich biss mir auf die Lippe, hielt den Blick dennoch auf Cora gerichtet, die auf das Wasser des Sees blickte.
Den Kampf gegen meine eigenen Gedanken hatte ich verloren, als ich die Kontrolle verloren hatte, aber so ganz glauben konnte ich es noch immer nicht.
Schließlich kannte ich sie erst zwei Tage lang.

Für zwei Momente herrschte tiefes Schweigen.
Man hörte nur den See.
Schlussendlich nickte ich und sah wieder zu Cody.
Nebenbei spielte ich immer noch mit dem Unendlichkeitszeichen-Anhänger von meinem Armband.
Jap., sagte und dachte ich.
Normalerweise musste ich mir erst einen Eindruck von Leuten machen bevor ich entschied ob sie mir wichtig waren oder nicht.
Cody mochte ich allerdings schon sehr früh.

Ich wandte den Blick wieder dem See zu und langsam stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht.
Also das war doch mal eine gute Neuigkeit.
Noch besser, als die Sache mit der Psychokinese und damit rückt sie auf Platz eins des Tages und das will schon etwas heißen.
Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder und lächelte nur weiter.
Was sollte ich auch sagen?
"Du bist mir auch wichtig"?
Nein das klang irgendwie zu lahm.
Ich beschloss einfach fürs erste den Mund zu halten und behielt auch meine Gedanken für mich.

Ich beobachtete Cody noch ein paar Momente lang lächelnd.
Dann wandte ich meinen Blick wieder auf den See.
Das Wasser schlug noch immer kleine Wellen.
Wenn ich mich nicht irrte, sah ich sogar einen kleinen Fisch.
Die Steine am Boden glänzten im Wasser.
Es erinnerte mich an meine Kindheit in der ich oft Steine gesammelt hatte.
Allerdings verloren sie, sobald sie trockneten, ihren Glanz.
Daher war ich immer der Meinung gewesen, Wasser wäre magisch.
Es schien Dinge zu verwandeln.
Gedankenverloren lächelnd sah ich mir die ganzen Steine an.
Mir fiel auf, dass ich schon den kompletten Tag lächelte.
Ich fing an darüber nachzudenken wieso.
Da ich aber auf keine Antwort kam, atmete ich nur durch.

Ich blieb noch ein paar Minuten lächelnd sitzen und genoss den friedlichen Moment.
In Anbetracht, was gerade eben passiert war konnte ich sowas wirklich gebrauchen.
Doch egal, wie schön der Moment war und wie wenig ich ihn zerstören wollte stützte ich mich auf.
Ich muss noch mal zu meiner Hütte. sagte ich zu lächelnd zu Cora.
Vielleicht sehen wir uns ja später.
Ich drehte mich um und lief joggend zurück in die Richtung der Hütten.
Diesmal hatte ich mir den Weg natürlich gemerkt.
Im Allgemeinen hatte ich einen sehr guten Orientierungssinn und das ich mich neulich so verirrt hatte konnte nur passieren, weil ich so aufgewühlt war.

---> Hütte 1

Ich sah Cody noch kurz hinterher als er wegrannte.
Als er außer Sicht war legte ich mich hin und verschränkte meine Arme hinter meinem Kopf.
Der Wind wehte noch immer leicht.
Es war still, bis auf das Rascheln der Blätter.
Lächelnd schloss ich die Augen und atmete tief durch.
Die Zeit verstrich langsam, ich döste immer wieder kurz ein.
Im Geiste ging ich die Orte durch wo ich hinkönnte.
Schließlich beschloss ich einfach liegen zu bleiben.
Man war nicht oft alleine am See & wenn sollte man das ausnutzen.
Zumindest meiner Meinung nach.

>>>>>>>>>>> Ein Pfad im Wald <<<<<<<<<<<

Ich versuchte meine unsicherheit zu überspielen.
Ja. Aber es wundert mich das dieses andere Mädchen ihn dann nicht mit ins Camp genommen hat. murmelte ich vor mich hin und sah die Leute an die schon da waren.
Auf einer Seite standen Tische mit Getränken und Essen, aber die meisten Camper lagen auf Decken auf der Wiese oder waren im Wasser.
Ich sah mich um, konnte aber das komische Mädchen nicht entdecken.

Ich sah mich um und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Wow. Wir machen zwar auch öfter Picknicks im Hexenzirkel, doch die sind nicht annährend so entspannt wie hier.
Ich dachte an das letzte Picknick und zitterte leicht. Dann sah ich mich auf der Suche nach einer freien Decke um.

Ich war wirklich eingeschlafen, jedoch wurde ich von einer anderen Gestaltenwandlerin wieder geweckt.
Jetzt saß ich etwas abseits auf einer Decke und starrte ins Wasser.
Immer wenn ich aufgeweckt wurde war ich nachdenklich und still, so auch jetzt.
Ein paar andere hatten mir angeboten mich zu ihnen zu setzten aber ich wollte nicht.
Die Sonne schien immer noch.
Da ich aber unter einem Baum saß war mir das großteils egal.
Langsam wurde das Ufer noch voller.
Ich grüßte manche, und sah dann wieder ins Wasser.

Ich grinste und zwinkerte Ava zu, danach zog ich sie weiter zu einer freien Decken in der Nähe von Cora, die ich soeben erkannt hatte.
Noch immer gut gelaunt aber trotzdem mit etwas Sorge im Blick sah ich zu ihr.
Na alles okay? fragte ich sie und zog Ava im selben moment neben mich.
Die anderen sollten ruhig denken das zwischen uns was war.
Vielleicht würden sie mich so in ruhe lassen.
Oder lief da wirklich was zwischen uns? ich schob den Gedanken beiseite und sah zu Cora.

Ich lief warscheinlich rot an, als Lucas mich neben sich auf die decke zog.
Die Blicke der anderen Camper spürte ich zwar, ignorierte ich aber gekonnt.
Auch ich lächelte zu Cora. Hey Cora. Dich hab ich aber lange nicht mehr gesehen.
Es sollte als Witz gemeint sein, doch mit ging auf, das ich sie hier das letzte Mal gesehen hatte.
Warst du die ganze zeit hier, nachdem ih gegangen bin, fragte ich deshalb auch sofort und biss mir auf die Unterlippe.
Ich sollte mit dieser ganzen Fragerei aufhören.

>>>>> Hinter dem Wasserfall <<<<<<

Ich landete mitten auf einer Lichtung.
Um mich herum waren überall Camper und starrten mich an, die kälte verflüchtigte sich schnell, was mich irgendwie erleichterte.
Ich sah mich um und konnte Ava erkennen, doch sie saß bei diesem komischen Jungen, deshalb ging ich nicht hin.
Einmal drehte ich mich im kreis und sah mich noch einmal um.
Seufzend stiefelte ich in den Schatten eines nahe liegenden Baumes und versteckte mich dort.